Ehe

Die Bedeutung der Ehe in der Vergangenheit. Im Altertum war es einer Frau nicht möglich, allein zu leben, denn sie konnte allein nicht überleben. Eine Frau mit Kindern die ihren Mann verlor und die keine Alternative finden konnte, war einem großen Elend ausgeliefert. Für eine Frau war die Ehe für lange Zeit die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt und ihr Überleben zu sichern. Die Gründe für einen Mann eine Frau zu nehmen war, die Arbeit einer Frau im Haushalt, frei verfügbaren Sex und Gesellschaft. Die Ehe war also so eine Art Handel. Du gibst mir dies und ich gebe dir das. Da beide Parteien, vor allem die Frau, darauf angewiesen war, dass diese Ehe ein Leben lang hält, hat man Gesetze geschaffen, kirchliche und weltliche, um die Einhaltung des Ehevertrages zu garantieren. Diese Form von Beziehung hatte (und hat) natürlich nichts mit Liebe zu tun. In diesen Beziehungen gab es vor allem Pflichten, Grenzen und Unfreiheiten.

Warum gehen Heute so viele Ehen auseinander?

Für die Ehe gilt das Gleiche: ob sie auf Liebe beruht oder, wie traditionelle Ehen, auf gesellschaftlicher Konvention und Sitte – Paare, die einander wirklich lieben, scheinen die Ausnahme zu sein. Gesellschaftliche Zweckdienlichkeit, Tradition, beiderseitiges ökonomisches Interesse, gemeinsame Fürsorge für Kinder, gegenseitige Abhängigkeit oder Furcht, gegenseitiger Hass werden bewusst als »Liebe« erlebt – bis zu dem Augenblick, wenn einer oder beide erkennen, dass sie einander nicht lieben und nie liebten. Heute kann man in dieser Hinsicht einen gewissen Fortschritt feststellen: die Menschen sind nüchterner und realistischer geworden und viele verwechseln sexuelle Anziehung nicht mehr mit Liebe, noch halten sie eine freundschaftliche, aber distanzierte Teambeziehung für ein Äquivalent von Liebe. Diese neue Einstellung hat zu größerer Ehrlichkeit – und zu häufigerem Partnerwechsel geführt; sie hat keine größere Häufigkeit des Liebens, weder mit den neuen noch mit den alten Partnern bewirkt.

Der Wandel vom Beginn des »Verliebtseins« bis zur Illusion, Liebe zu »haben«, kann oft an konkreten Details anhand der Geschichte von Paaren verfolgt werden, die sich verliebt haben. (In Die Kunst des Liebens habe ich darauf hingewiesen, dass der Begriff »falling in love« ein Widerspruch in sich selbst ist. Da Lieben eine produktive Aktivität ist, kann man nur in Liebe stehen oder gehen, aber nicht »fallen«, da sich darin Passivität ausdrückt.) In der Zeit der Werbung ist sich einer des anderen noch nicht sicher; sie suchen einander zu gewinnen. Sie sind lebendig, attraktiv, interessant und sogar schön – da Lebendigkeit ein Gesicht immer verschönt. Keiner hat den anderen schon, also wendet jeder seine Energie darauf, zu sein, das heißt zu geben und zu stimulieren. Häufig ändert sich mit der Eheschließung die Situation grundlegend. Der Ehevertrag gibt beiden das exklusive Besitzrecht auf den Körper, die Gefühle, die Zuwendung des anderen. Niemand muss mehr gewonnen werden, denn die Liebe ist zu etwas geworden, das man besitzt, zu einem Eigentum.

Die beiden lassen in ihrem Bemühen nach, liebenswert zu sein und Liebe zu erwecken, sie werden langweilig, und ihre Schönheit verschwindet. Sie sind enttäuscht und ratlos. Sind sie nicht mehr dieselben? Haben sie von Anfang an einen Fehler gemacht? Gewöhnlich suchen sie die Ursache der Veränderung beim anderen und fühlen sich betrogen. Was sie nicht begreifen, ist, dass sie beide nicht mehr die Menschen sind, als die sie sich ineinander verliebten; dass der Irrtum, man könne Liebe haben, bewirkte, dass sie aufhörten zu lieben. Sie arrangieren sich nun auf dieser Ebene und statt einander zu lieben, besitzen sie gemeinsam, was sie haben: Geld, gesellschaftliche Stellung, ein Zuhause, Kinder. Die mit Liebe beginnende Ehe verwandelt sich so in einigen Fällen in eine freundschaftliche Eigentümergemeinschaft, in der zwei Egoismen sich vereinen: die »Familie«.

In anderen Fällen sehnen sich die Beteiligten weiterhin nach dem Wiedererwachen ihrer früheren Gefühle und der eine oder andere gibt sich der Illusion hin, dass ein neuer Partner seine Sehnsucht erfüllen werde. Sie glauben, nichts weiter als Liebe zu wollen. Aber Liebe ist für sie ein Idol, eine Göttin, der sie sich unterwerfen wollen, nicht ein Ausdruck ihres Seins. Sie scheitern zwangsläufig, denn »Liebe ist ein Kind der Freiheit« (wie es in einem alten französischen Lied heißt), und die Anbeter der Göttin Liebe versinken schließlich in solche Passivität, dass sie langweilig werden und verlieren, was von früherer Anziehungskraft noch übrig war. https://qua.name/bucher/erich-fromm-haben-oder-sein

Das lateinische Wort für heiraten heißt „in matrimonium ducere“ (in die Mutterschaft führen). Das heißt, dass die Ehe als Familienform zur Umsorge des Nachwuchses durchaus Sinn ergibt. Darüber hinaus kann es für die Heirat von Kinderlosen und bei Homoehen wohl nur Gründe des Egos für die Ehe geben...

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